Sven Hannawald: "Alles Sachen, da muss der Mensch lernen!"

20-03-2012 at 19:35
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Der "König der Lüfte" will auch auf der harten Asphaltpiste durchstarten. Nach dem furiosen Einstieg im Vorjahr mit Heinz-Harald Frentzen im ADAC GT Masters hat der bislang einzige Grand Slam-Sieger der Vierschanzen-Tournee wieder seinen alten Ehrgeiz entdeckt. Skisprung-Olympiasieger Sven Hannawald will daher nichts dem Zufall überlassen und trainiert mit professioneller Hilfe für sein Comeback. Ab sofort wird der 37 Jahre alte Wahl-Münchner von Mathias Lauda, Sohn der Formel 1-Legende Niki Lauda, betreut.
 
Im dritten Motorsport-Jahr steht nun vor allem Training auf dem Programm. Sind dies eigene Lehren als Quereinsteiger, die man ziehen muss oder vielleicht erste Zweifel am Motorsport?
Hannawald: „Zweifel gibt es nicht. Ich habe gemerkt nach den Jahren, dass ich unheimlich Spaß habe. 2005 hatte ich zwar meine Lizenz gemacht, doch da bin ich mit Abständen nur einzelne Rennen gefahren. Das hat mit dem, was ich seit zwei Jahren mache, nichts mehr zu tun. Nachdem wir, das ist mein Berater Axel Watter und ich, uns entschlossen hatten meine professionelle Motorsportkarriere zu starten und uns in die GT Masters Serie eingeschrieben haben, hatte ich Blut geleckt, weil ich öfters im Auto saß und Fortschritte machen konnte.“
 
Jetzt geht es also in die Detailarbeit?
Hannawald: "Ich gehe da lieber auf Nummer sicher. Gerade die Unterschiede zwischen Training und Qualifying machten mich wild. Ich wollte einfach nicht glauben, dass das Auto mit neuen Reifen plötzlich schneller ist – daher bin ich noch nicht so weit! Dementsprechend haben wir den Entschluss gefasst, noch mehr zu trainieren. Ich will auch lieber einmal Regentests machen oder mir die Grundlagen beim Kartsport erwerben. Diese Dinge werden wir forcieren, damit wir dann im nächsten Jahr auch vorne mitreden können – natürlich im Amateurbereich.“
 
Gibt es Grenzwerte im Motorsport, die du anfangs für unüberwindbar gehalten – sie aber dennoch überschritten hast?
Hannawald: „Das merkt man schon, wenn man eine lange Gerade hinballert und auf einmal der Fuß nervös wird, weil man am liebsten bremsen möchte. Da habe ich jetzt schon die Routine, kenne die Bremspunkte. Wenn wir jetzt im Frühjahr wieder anfangen zu testen, muss ich mich mit dem Kopf daran wieder gewöhnen. Ich hatte auch wirklich schon gute Rennen wie am Nürburgring oder in Zandvoort, wo ich mich richtig super gefühlt habe. Und anhand dieser Sachen und Erfahrungen steigere ich mich dann auch richtig rein.“
 
Waren die Anfangserfahrungen vielleicht zu heftig?
Hannawald: "Im ersten Jahr, wo ich im Seat-Cup angefangen habe, war es als Anfänger einfach zu schnell für mich. Ich war am Limit, während die anderen links und rechts vorbeigefahren sind. Das machte natürlich keinen Spaß. Aber über die Jahre kam auch die Erfahrung, da musste man sich dran gewöhnen. Beim Skispringen geht es auch nicht von null auf hundert. Man braucht die Jahre, man braucht die Erfahrung, man braucht die Erfahrung bei gewissen Bedingungen und man braucht die Erfahrung mit gewissen Schanzengrößen. Das sind alles Sachen, da muss der Mensch lernen. Und da bin ich jetzt auch drin.“
 
Das hört sich nach einer ernsthaften, zweiten Leistungssport-Karriere an?
Hannawald: "Ich mache mir aber keinen Stress. Ich bin auch nicht enttäuscht, wenn ich es nicht hinkriege. Da ist zwar mein Ehrgeiz, den werde ich nicht los. Das ist aber auch gut so, der hat mich vielleicht dahin gebracht, wo ich dann im Springen war. Ab und zu muss ich mich dann aber auch selber bremsen, weil ich mir die Zeit geben möchte, damit sich bestimmte Sachen entwickeln können. Ansonsten habe ich schon so eine Anspannung im Auto, wo ich irgendwo merke, ich muss doch viel schneller fahren als ich eigentlich kann.“
 
Wird die Lockerheit von damals mit den angeschnallten Sprungskiern auch mal hinter dem Lenkrad kommen?
Hannawald: "Als ich damals im Springen fit war, da war ich der Lockerste hoch sieben. Und da konnte mir gar nichts, da konnte neben mir eine Bombe hochgehen, da hätte ich trotzdem alles abgerufen, was ich kann. Und momentan ist es so im Auto, ich fahre in einem 500- oder 600 PS-Auto und das vergleiche ich damit, als ob ein Rennfahrer auf der Großschanze anfängt und auf Anhieb 140 Meter springen soll. Das mache ich mir immer wieder bewusst.“
 
Was ist denn nun schwieriger: Skispringen erlernen oder einen 500 PS-starken Boliden sicher und schnell zu bewegen?
Hannawald: „Weiß ich nicht. Im Auto hast du immer die Möglichkeit vom Gas zu gehen oder zu bremsen. Beim Springen hättest du ab dem Loslassen dann ein Problem. Ich vergleiche beide Sportarten nicht. Beide haben Reize, in beiden Sportarten gibt es ein gewisses Risiko, mit dem man aber spielen muss, um ganz nach vorn zu kommen. Das ist der Reiz, wo ich vom Skispringen aus süchtig bin. Ich habe zwar auch mit Fußball angefangen, das Spielen macht mir in Neuried auch nach wie vor Spaß, aber das ist nur so ein Austoben-Faktor in der Gemeinschaft. Das mit den Risiko-Sportarten braucht mein Körper. Michael Schumacher kann wahrscheinlich ein Lied davon singen, ansonsten hätte er wahrscheinlich auch schon aufgehört."
 
Nun kommt mit Mathias Lauda ein neuer Partner oder vielmehr Trainer an deine Seite. Ein klangvoller Name. Habt ihr schon Kontakt gehabt?
Hannawald: "Ich freue mich schon auf das Kennenlernen. Ein weiterer neuer Lehrer für mich. Je mehr Lehrer ich habe, umso mehr Allgemeinwissen bekomme ich im Motorsport mit. Ich bin mal gespannt, wie Mathias mit dem Auto umgehen wird. Ich habe von Thomas Jäger, von Armin Schwarz und auch von Heinz-Harald Frentzen schon so viel gelernt und das alles auf verschiedenen Ebenen. Jetzt bin ich mal gespannt, gerade auch was das Setup am Auto betrifft.“
 
Ein Österreicher will dir also helfen? Dieses Zusammenleben kennst du ja sicherlich auch vom Skispringen?
Hannawald lachend: "Genau, das wird sicherlich ein lustiges Jahr, ohne dass wir den Ernst der Sache vergessen. Ich kenne ja den Schmäh zwischen Deutschland und Österreich, das hatte ich früher mit Skispringer Thomas Morgenstern schon durch, wo wir uns immer gegenseitig auf die Schippe genommen haben. Die deutsch-österreichischen Geschichten gibt’s, die wird´s immer geben. Dementsprechend freue ich mich darauf."
 
Du hattest auch mit Rallye-Pilot Armin Schwarz auf Schnee und Eis trainiert. Wäre das als ehemaliger Wintersportler nicht die bessere Alternative gewesen?
Hannawald: "Rallye-Sport ist noch eine ganz andere Geschichte, man muss mit der aktuellen Situation umgehen können. Ich bin jetzt Grundschüler im Motorsport, da müsste ich noch das Abitur machen, denn Rallyefahrer sind wohl die komplettesten Piloten. Ich möchte jetzt erst einmal das normale Autofahren lernen."
 
Was hast du denn auf dem Eis gelernt?
Hannawald: "Wenn jetzt ein Auto querkommt, weiß ich, wie ich es abfangen kann. Ich habe gelernt, dass man das Übersteuern auch beherrschen kann, dass man über sein Limit fahren kann. Für mich war es wieder ein Puzzlesteinchen, wie damals beim Skispringen, wo so viele Details passen mussten, um Erfolg zu haben.“
 
Wann denkst du, könnte ein Punkt erreicht sein, wo du aus eigenen Stücken sagst: Das war es jetzt mit dem Leistungssport – auch mit dem Motorsport?
Hannawald: "Ich glaube nicht, dass der Punkt kommen wird. In der GT Masters ist einer gefahren, der war 60 Jahre. Die Leute werden die Lust nie los, nur die Kategorien ändern sich. Da ich jetzt im höheren Alter eine neue Sportart anfange, glaube ich nicht, dass dieser Punkt erreicht wird, auch wenn es später nur Testfahrten wären. Im Auto sitzen kann man immer."
 
Wenn man mit seinem Sport sehr gut verdient hat, nach einer Krankheit auch die andere Seite des Lebens kennengelernt hat – wie geht man dann mit der neuen Präsenz in der Öffentlichkeit um?
Hannawald: "Man gewöhnt sich ans Leben, es ist immer eine Typfrage. Mir war wichtig, wenn ich in den Spiegel schaue, der Typ soll zufrieden sein und sagen: okay das bin ich. Wenn man dann aber anfängt, gewisse Sachen einfach wegzudrücken oder irgendwo zu steuern, dann kommt man an einen Punkt wo man sagt: Der Mann im Spiegel bin ich nicht. Mir ist nicht wichtig, ob man Sachen wie den Burnout oder ein schlechtes Springen schönschreibt. Es gab halt Jahre, die liefen nicht so. Doch ich habe immer die Wege gesucht, um Erfolg zu haben. Das ging auch mal auf den Körper, der eine Auszeit brauchte. Der Körper zieht dann einfach mal die Notbremse.“
 
Kehrt man dann gestärkt oder ängstlich zurück?
Hannawald: "Seitdem das alles im Gleichgewicht ist, lernt man natürlich daraus. Man lernt nie aus positiven Sachen. Man lernt immer nur aus negativen Erlebnissen. Gerade wenn man mehr in der Öffentlichkeit steht, geben dir unzählige Menschen endlos Ratschläge. Man kann sich das alles anhören, doch am Ende musst du immer nach deinen eigenen Gefühlen gehen. Das ist das Wichtigste. Das muss man sich bewahren."
 
Wenn du irgendwann mal keinen Sport in der Öffentlichkeit machst, welche verrückten Sachen kommen dann? Hast du noch einen Traum?
Hannawald: "Vom ganzen Leben her muss ich sagen, ich lebe eigentlich meinen Traum. Ich bin auch in der glücklichen Lage dazu. Das Autofahren macht Spaß, Fußballspielen ist genau mein Ding, da brauche ich gar nicht so viel verrückte Dinge. Was ich ändern möchte: Bisher hatte ich viele Sachen nur allein gemacht. Jetzt wollen wir lieber die Dinge zu zweit machen. Da ist das Erlebnis viel intensiver. Zu zweit kommt man immer auch auf bessere Ideen!"
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